Der große Traum: Bundesinnung

20.05.2019

Mit der Gründung einer Handwerksinnung für Kosmetiker möchte Joanna Gramm ihrem Gewerbe eine übergeordnete Stimme geben. Wir haben mit ihr und dem Rechtsanwalt Frank O. Baumeister, der die Gründung begleitet, über die Notwendigkeit der Handwerksinnung, ihre Aufgaben und ihre Ziele gesprochen und erfahren, warum es für Kosmetikerinnen so wichtig ist, sich zu vernetzen.

Zu den Personen

RA Frank O. Baumeister ist erfolgreicher Verbands -und Politikberater in Deutschland und der EU. Er unterstützt Firmen und Behörden u.a. bei Fragen der Einstufung von beruflichen Handlungskompetenzen. info@carlantis.com

Joanna Gramm Die Kosmetikmeisterin und Schulungsleiterin ist auch psychologischer Coach. Sie ist Inhaberin der Meisterschule in Hannover und gibt Meistervorbereitungskurse in Teil I und Teil II. www.kosmetik-meisterschule.com

BEAUTY FORUM: Frau Gramm, wie kamen Sie darauf, die Innung zu gründen?

Joanna Gramm: Friseure verfügen über eine Innung als Stimme ihres Handwerks, die ihre Interessen vertritt und sich für die Qualität und Fortentwicklung einsetzt. Das ist bei uns Kosmetikerinnen nicht der Fall. Ich habe daher vor drei Jahren beschlossen, eine Kosmetikerinnung zu gründen. Seit 2015 verfügen wir endlich über eine neue, bundesweit gültige Meisterprüfungs-Verordnung als eine Art Leitbild. Daher ist der Wunsch entstanden, eine Kosmetikerinnung zu gründen. Die neue Innung wäre Stimme unseres Kosmetikgewerbes und Förderer seiner übergeordneten Interessen.

Warum war die Gründung der Innung so wichtig?

Joanna Gramm: Die Innung soll in der Zukunft ein Instrument für die Kontrolle des ausgeübten Handwerks darstellen, also zum Beispiel zur Kontrolle der Qualität der Ausbildung bei Kurzzeitausbildungen oder von Hygienemaßnahmen in den Instituten. Die Innung setzt sich für mehr Qualität in allen Fragen der Berufsausübung ein und pflegt die Berufsehre des Handwerks.

Immer wieder muss man die Beobachtung machen, dass es Bildungsanbieter gibt, bei denen nicht die Qualität, sondern eher die Masse der Anmeldungen als maßgebliches Betriebs- und Erfolgskonzept zählt.

Wie sehen denn Ihre nächsten Schritte aus und was muss überhaupt noch alles getan werden?

Joanna Gramm: Wir sind erst am Anfang unseres Weges. Am 1. April haben die Wahlen stattgefunden. Ich bin zur Obermeisterin und Vorsitzenden der Innung gewählt worden. Darüber hinaus müssen die Themen Mitglied-schaftsgebühren, Planung der Mitgliederversammlung, Prüfungsausschuss und Abnahme von Gesellenprüfungen geklärt werden. Meine Mitstreiterinnen teilen meine Vision und möchten mit mir den Weg des Ehrenamtes gehen. Deshalb freue ich mich, mich mit ihnen gemeinsam in der Branche für die Berufsehre und eine erfolgreiche Zukunft einzu-setzen. Bis zu der Sitzung hat jedes zukünftige Mitglied die Aufgabe bekommen, selbst Akquise zu betreiben. Wir benötigen noch mehr Betriebe.

Wie viele Betriebe haben sich bereits angeschlossen?

Joanna Gramm: Momentan sind wir bei 20 Kosmetikinstituten, darunter zwei Fußpflege-salons. Bis Ende des Jahres wollen wir 60 Kosmetikinstitute zu unseren Mitgliedern zählen. Jedes Jahr soll sich die Summe der Mitglieder erhöhen, möglichst verdoppeln. In der darauffolgenden Periode wollen wir bundesweit agieren. Eine Kosmetikerinnung auf Bundesebene ist mein Traum. Dafür benötigen wir weitere ehrenamtlich motivierte Kosmetikerinnen, die unsere Vision unterstützen und gemeinsam den Weg mit uns gehen wollen.

Wie kam die Gründung der Innung zustande?

Joanna Gramm: Vor einigen Jahren wollte ich den Meister im Kosmetikgewerbe machen, dafür habe ich 2007 die Teile III und IV erfolgreich absolviert. Gleich nach der Einführung der neuen Verordnung 2015 habe ich mich auf die Suche nach einer Handwerkskammer gemacht, um die Teile I und Teil II zu absolvieren.

Durch einen Artikel in der BEAUTY FORUM bin auf das Thema aufmerksam geworden. So habe ich den Verhandlungsführer der Arbeit-geberseite im Verordnungsgebungsverfahren für die neue Meisterqualifikation, Rechtsanwalt Frank Baumeister, kennengelernt, der mir viel über Organisation und Aufgaben einer Handwerksinnung erzählt hat.

Wie ging es dann weiter?

Joanna Gramm: Nach meiner Prüfung hatte ich beschlossen, eine Meisterschule zu eröffnen. Ich habe mich einem Verband angeschlossen und meine Fortbildungskurse zertifizieren lassen. Die Agentur für Arbeit hat mir Arbeitssuchende geschickt, die bei mir eine Qualifizierung machen konnten.

Leider war die Kooperation eine Lüge, der Verband war ein Briefkastenverband und ich habe für meine getätigte Arbeit nie Geld gesehen. Es war ein harter Weg und da hat sich der Wunsch bei mir nach einer Institution geformt, die genau das Sicherheitsinstrument darstellen würde, um diese Art von Täuschung zu vermeiden.

Kosmetikerinnen haben es heute nicht einfach. Es kommen ständig neue Gesetze heraus, wie zum Beispiel die NiSV, die DSGVO oder auch europäische Standards. Es gibt keine Stellen, wo sie sich beraten lassen könnten. Eine Innung hätte genau die beratende Aufgabe gehabt. Das ist die einzige Chance für die Betriebe, um erfolgreich weiter auf dem Markt zu agieren.

Welche Ziele verfolgt die Kosmetikerinnung und welche Aufgaben übernimmt sie?

Joanna Gramm: Die Innung würde unter anderem Qualifizierungs- und Fortbildungssemi-nare anbieten. Immer mehr Anbieter verkaufen nämlich Zertifikate: Innerhalb von drei Tagen kann man Kosmetikerin oder Fußpflegerin werden, das wollen wir in der Zukunft vermeiden. Der Endverbraucher ist gefährdet, letztendlich kennt er den Unterschied nicht. Das ist eines unserer Ziele. Eines von vielen. Denn mir geht es schon seit Jahren bei meiner Arbeit sowohl um mehr Qualifikationschancen für Kosmetikerinnen als auch um mehr Qualität bei den Ausbildungsinhalten. Unter dem Motto „lebenslanges Lernen“ möchte ich alle Kosmetikerinnen, also auch die Absolventen privater Seminare oder Kurzzeitkosmetikschulen oder solche, die an den staatlichen Schulen ihren Abschluss gemacht haben, dazu motivieren und begeistern, sich ständig weiterzubilden, nicht aufzuhören zu lernen und Ziele zu haben.

Was kann die Innung noch leisten?

Joanna Gramm: Eine Kosmetikerinnung soll die Berufsehre schützen, Förderer übergeordneter Interessen sein, sichere, bundesweite Anerkennung der Abschlüsse bieten, die Kosmetikerlobby stärken und sich politisch einbringen. Durch regelmäßige Versammlungen, bei denen gemeinsame und übergeordnete Themen transparent und fair besprochen werden, trägt eine Innung die Verantwortung für die Zukunft des gesamten Wirtschaftsbereiches! Bis jetzt war das nicht möglich, da keine Kosmetikerinnung, kein Vertreter und keine übergeordnete Stimme vorhanden waren. Ein erster Meilenstein ist gesetzt. Wir befinden uns am Wendepunkt.

Welche Resonanz haben Sie bereits erhalten?

Joanna Gramm: Wir haben eine sehr gute Resonanz bekommen. Mittlerweile sind wir bei 20 Betrieben, Tendenz steigend. Viel positives Feedback haben wir auch über Facebook bekommen. Viele Kosmetikerinnen rufen mich an und wollen ein Teil davon sein. Was mich sehr positiv überrascht hat, war die Nachfrage nach dem „Meister im Kosmetikgewerbe“. Ich bin sehr glücklich, dass die vielen Jahre meiner ehrenamtlichen Arbeit nun endlich Früchte tragen.

Herr Baumeister, welche Vorteile hat die Kosmetikerin, wenn sie einer Handwerksinnung beitritt?

Frank Baumeister: Es gibt wirklich viele Vor-teile: Interessenvertretung, Netzwerke, Rabattmöglichkeiten bei Firmenbestellungen, Rechtsbeistand, die Anerkennung qualifizierter Abschlüsse durch die Innung und die Handwerkskammer, Messeorganisation, Geräteschulungen zur NiSV und Informationen über gesetzliche Neuerungen und aktuelle Branchentrends. Darüber hinaus ist eine Innung eine ebenso anerkannte wie auch selbstverständliche Organisation, wenn es um Qualität und einwandfreie Professionalität bei der Berufsausübung geht – darauf können sich Berufsanfänger ebenso wie langjährig Tätige, aber ganz besonders auch die Kunden verlassen.

Was kostet denn die Mitgliedschaft in einer Innung?

Frank Baumeister: Die Beiträge werden jetzt gemeinsam bei der kommenden Sitzung von der Innungsversammlung alljährlich festgesetzt. Sie richten sich sowohl nach der Größe des Betriebes als auch nach dem Gewerbe-steuermessbetrag. Von den Gebühren wer-den die Beiträge für die Kreishandwerkerschaft bezahlt, deshalb wird eine konkrete Aussage erst nach der Sitzung gegeben werden können. Da eine Innung kraft Gesetzes allerdings eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, spielen gewerbliche Interessen oder Gewinnorientierung bei der Festsetzung der Beiträge keine Rolle. Mit anderen Worten: Der Innungsbeitrag wird erschwinglich und leistbar sein.

Welchen Weg muss eine Kosmetikerin gehen, wenn sie in ihrer Handwerkskammer ebenfalls eine Kosmetikerinnung gründen möchte?

Frank Baumeister: Allein ist es kaum möglich. Aber wir unterstützen gerne jede Kosmetikerin, die diesen Weg beschreiten möchte. Eines ist jedoch immer eine unabdingbare Voraus-setzung: Motivation und ehrenamtliche Tätig-keit stehen im Vordergrund. Kosmetikerinnen setzen sich mit ihrer Innungsgemeinschaft für bestimmte Werte ein, modern und zukunftsorientiert. Auch werden sie durch lebenslanges Weiterlernen stets eine verantwortungs-volle Vorreiterrolle bei aktuellen Entwicklungen einnehmen und dabei auch den Mut haben müssen, auf Fehlentwicklungen hinzuweisen, gerade weil sie ja Menschen behandeln. Dazu bedarf es einer ausgezeichneten Qualifikation in jedem Einzelfall, auf die sich jedermann verlassen kann. Wie heißt es so schön: „Handwerker schaffen das“ – und eine Innung hilft dabei.

Das Interview führte Christoph Schlittenhardt
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