Burn-out-Symptome nicht ignorieren!

10.11.2017
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Laut BKK Gesundheitsatlas 2015 war in den vergangenen Jahren eine enorme Zunahme an Krankschreibungen aufgrund psychischer Störungen zu verzeichnen – allen voran Burn-out, Depressionen und Angsterkrankungen. Laut Statistik sind Frauen wesentlich häufiger davon betroffen als Männer.Ausgebrannt zu sein, völlige emotionale Erschöpfung und die damit einhergehende verminderte Leistungsfähigkeit sowie geringere Lebensfreude sind einzelne Puzzleteilchen, die sich zu einem Bild zusammensetzen, das schließlich ein Burn-out ergibt.

So kann es beginnen

Beim Start des eigenen Instituts haben das sicher die meisten erlebt: In dieser Phase ist eine Wochenarbeitszeit von 60 bis 70 Stunden keine Seltenheit. Schließlich musste erst mal alles laufen. Buchhaltung, Planung von Werbemaßnahmen und ähnliche „Hintergrundarbeiten“ fanden spät abends oder am Wochenende statt. Wenn das Institut gut etabliert ist, werden sich die Stunden schon reduzieren, hoffte man. Doch dann kam die Routine, die ersten ­Krisenzeiten oder auch Erfolge, an die man unbedingt anknüpfen wollte … und die vielen Arbeitsstunden blieben. Wenn es über einen längeren Zeitraum in mehreren Lebensbereichen hoch hergeht (auch das Privatleben spielt eine große Rolle), fühlen wir uns unseren Anforderungen irgendwann nicht mehr gewachsen. Natürlich ist es eine wunderbare Sache, einen Beruf auszuüben, den wir lieben – auch wenn die Arbeitszeit nicht bei 40 Wochenstunden haltmacht. Krankhaft wird es dann, wenn durch die Belastungen im beruflichen und privaten Bereich bei uns selbst oder in unserem Umfeld ein Leidensdruck entsteht. Haben Familie oder Freunde schon gefragt, warum Sie keine Zeit mehr für gemeinsame Aktivitäten haben? Beschweren sich Ihre Kinder, dass Sie so oft schlecht gelaunt sind und nicht mehr mit ihnen spielen? Diese Fragen sollten Sie ernst nehmen! Unser Umfeld bemerkt sehr viel schneller als wir selbst, dass wir uns verändern. Ohne die Hinweise zu beachten, gehen wir völlig in unserem Institut auf und brennen darauf, noch mehr Umsatz zu machen, noch erfolgreicher zu werden. Einem Burn-out gehen immer übergroßer Enthusiasmus und übersteigerter Einsatz voraus.

Die Entwicklung

Bereits 1974 hat Professor H.J. Freudenberger den Begriff des Burn-outs eingeführt und die „Abwärtsspirale“ in zwölf Stadien definiert. Wie diese sich in einem Kosmetikinstitut entwickeln kann, soll das Beispiel von Kosmetikerin Ida Hübsch zeigen.

Stadium 1: Ich kann das

Der Weg in ein Burn-out beginnt oft mit dem dringenden Wunsch, sich und anderen etwas zu beweisen. Ida definiert sich stark über ihren Erfolg und stellt immer höhere Anforderungen an sich selbst. Die eigenen Bedürfnisse schiebt sie immer weiter in den Hintergrund.

Stadium 2: Da geht noch mehr

Ihr Institut läuft wie am Schnürchen. Sie erweitert das Angebot und übernimmt dadurch zusätzliche Arbeiten. Buchführung, Wareneinkauf, Geburtstagskarten für Kunden etc. erledigt sie spät am Abend und am Wochenende. Ida hat das Gefühl, für ihre Kunden unentbehrlich zu sein. Sie kümmert sich um alles persönlich, denn Angestellte oder freiwillige Helfer können das nicht so gut. Die sozialen Kontakte nehmen allmählich ab.

Stadium 3: Habe leider keine Zeit


Ida fällt es immer schwerer, Aufgaben abzulehnen oder Projekte zu verschieben bzw. zu streichen. Sie beklagt sich, dass sie keine Zeit mehr für sich selbst hat. Durch den Stress trinkt sie mittlerweile viel mehr Kaffee und abends genehmigt sie sich regelmäßig ein Glas Wein, um abschalten zu können, wie sie sagt.

Stadium 4: Es wird auch wieder besser

Auweia! Die ersten Fehler schleichen sich ein. Ida hat einen Behandlungstermin nicht notiert, eine Feuchtigkeitsmaske vergessen und auch noch einen falschen Preis berechnet. Natürlich haben die Kunden das gemerkt und Ida ärgert sich maßlos über sich selbst. Sie kommt ins Grübeln und schläft schlecht. Weil sie sich so energielos und schwach fühlt, vernachlässigt sie ihre Hobbys, ihre sozialen Kontakte und auch sich selbst.

Stadium 5: Ich muss Abstriche machen

Schon wieder fragen Familie und Freunde nach Unternehmungen! Ida ist genervt. Die sozialen Verpflichtungen sind ihr lästig und sie erfindet immer häufiger Ausreden, um nicht teilnehmen zu müssen. Ihre Aufgaben erledigt sie fast schon mechanisch. Auch den Kunden fällt das auf. In der Familie tauchen große Probleme auf.

Stadium 6: Alles nicht so schlimm

Immer öfter fragt sich Ida, was sie an ihrem Beruf einmal so fasziniert hat. Warum erkennt niemand ihre Leistung und Anstrengung an? Nun fordert auch ihr Körper sein Recht. Rückenschmerzen und die ersten Fehlzeiten treten auf. Innerlich hat sie bereits gekündigt, kann aber um keinen Preis der Welt Hilfe von außen annehmen.

Stadium 7: Lasst mich einfach nur
 alleine!

Psychosomatische Beschwerden wie Kopf- und Nackenschmerzen, Magenprobleme, hoher Blutdruck, Herzrasen sind Idas ständige Begleiter geworden. Sie fühlt sich ständig unter Druck und reagiert oft zynisch, was das soziale Umfeld als sehr belastend empfindet. Entsprechend ziehen sich zunächst die Freunde und die Familie immer mehr von ihr zurück. Ida empfindet das als Zurückweisung und versucht, das unangenehme Gefühl durch Schokolade, Alkohol, Zigaretten und Fernsehen zu kompensieren. Ihre kognitive Leistungsfähigkeit nimmt ab, Entscheidungen trifft sie nur noch mit Mühe und in der Arbeit mit den Kunden wird sie nachlässig.

Stadium 8: Ich bin immer noch die Alte

Das Umfeld hat es längst bemerkt: Ida hat sich sehr verändert. Sie ist einsamer, verletzlicher geworden, ertrinkt in Selbstmitleid und hat sich in ein Schneckenhaus zurückgezogen. Gut gemeinte Hilfeangebote und Zuwendung wehrt sie schroff und kategorisch ab – sie kann alles selbst und braucht niemanden, der sie unterstützt. Gleichzeitig fühlt sie eine Leere und Sinnlosigkeit in sich, die sie anderen gegenüber immer gleichgültiger werden lässt. Auch die letzten verbliebenen sozialen Kontakte schlafen jetzt nach und nach ein.

Stadium 9: Bin das eigentlich noch ich?

Eine innere Kälte und Einsamkeit hat sich in Ida breitgemacht. Die Behandlung der Kunden verrichtet sie fast wie ein Roboter. Deshalb wandern die Ersten auch zu anderen Instituten ab. Das erhöht den finanziellen Druck und wirkt sich noch mehr auf ihre psychosomatischen Probleme aus.

Stadium 10: Warum fühle ich nichts mehr?

Mit ihrer negativen Einstellung zum Leben vereinsamt Ida. Um diese Leere irgendwie zu füllen, flüchtet sie sich in exzessive Befriedigungen wie Heißhungerattacken und Shoppingorgien. Gleichzeitig treten die ersten Panik-attacken auf.

Stadium 11: Ich kann nicht mehr!

Direkt nach dem Aufstehen ist Ida völlig erschöpft. Sie will nichts mehr tun, wissen, können, entscheiden, sagen müssen. Ernährung ist ihr sowieso nicht mehr wichtig. Jetzt ist sie tatsächlich in Lebensgefahr! Wenn sie sich jetzt die Frage stellt „Was soll ich eigentlich noch hier?“, können erste Selbstmordgedanken aufflackern.

Stadium 12: Ich will nicht mehr!

Ihre körperliche, geistige und emotionale Erschöpfung ist nun lebensgefährlich. Denn mittlerweile ist auch ihr Körper schwer in Mitleidenschaft gezogen: Das Immunsystem kann zusammenbrechen, Herz und Kreislauf können kollabieren – und jetzt ist die Suizidgefahr am größten. Ohne Hilfe von außen geht es nicht mehr weiter!

Den Kreislauf stoppen

Der Weg in das Burn-out hinein ist von Mensch zu Mensch zeitlich völlig unterschiedlich. Gemeinsam ist allen Betroffenen aber, dass sie das Gefühl haben, an ihrer Lage nichts ändern zu können. Je früher die Gefahr wahr- und ernst genommen wird, desto besser sind die Heilungschancen. Ausschlaggebend ist aber die Einsicht, krank zu sein. Denn wer das nicht zugeben kann und erkennt, dass er Hilfe braucht, dem kann auch nicht geholfen werden.Bis zum 4. Stadium ist es oft noch möglich, aus eigener Kraft und mit Hilfe von Familie und Freunden das Burn-out abzuwenden. Dazu sind neu gesetzte Prioritäten genauso wichtig wie Pausen und der achtsame Umgang mit sich selbst.Ab dem 5. Stadium ist es ohne psychotherapeutische Hilfe fast unmöglich, die Abwärtsspirale zu verlassen. Hier ist die Einsicht wichtig, dass man Hilfe braucht und dass man diese auch annehmen muss.Ab dem 7. und 8. Stadium geht ohne ärztliche Hilfe gar nichts mehr. Die Betroffenen sind weit von sich selbst entfernt und sowohl körperlich als auch seelisch stark gefährdet. Der Weg der Heilung führt nur über eine psychosomatische Klinik, eine entsprechende Reha und dann mit ambulanter psychotherapeutischer Begleitung zurück ins Leben.

Wichtig: Achtsamkeit

Ein Burn-out ist eine potenziell lebensgefährliche Erkrankung! Hören Sie deshalb regelmäßig in Ihren Körper und Ihre Seele hinein. Sind Sie mit sich selbst im Gleichgewicht? Arbeiten Sie mit Freude, aber ohne Besessenheit? Besitzen Sie ein erfülltes Privatleben? Vergessen Sie bitte nicht: Wir haben alle nur ein einziges Leben – und das ist sehr kostbar.

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