Nagelbeißer - Besondere Herausforderung

31.08.2020
Foto: Davide Cadeddu/Shutterstock.com

Innere Unruhe oder zu hoher Druck von außen und schon passiert es, das meist unbewusste Nagelkauen. Eine eher unschöne, aber häufige Angewohnheit. So suchen viele Betroffene Hilfe im Nagelstudio, doch wie gehen Sie hier richtig vor und worauf sollten Sie bei Nagelbeißer-Kunden achten?

Als Nageldesignerin lagen mir Nagelbeißer-Kunden schon immer besonders am Herzen. Aufgrund meiner eigenen Vita als ehemalige Extrem-Beißerin war es schon immer mein Wunsch, gerade diesen Kunden zu helfen.
Haben wir einen Nagelbeißer als Kunden, so haben wir einen schweren, aber sehr lohnenswerten Weg vor uns, ein Kunde, der unser treuester Stammkunde werden kann.Wichtig ist die offene Kommunikation mit diesen Kunden und das vom ersten Tag an. Der Kunde muss sich darüber im Klaren sein, dass Erfolg oder Misserfolg allein in seiner eigenen Bereitschaft zur Mitarbeit liegt. Als Erstes sollten Sie mit Ihrem Kunden ein Beratungsgespräch vereinbaren. 
Warum?
Es ist enorm wichtig, dass Sie sich den Zustand der Nägel anschauen, eine Nagelanalyse machen und das genaue Vorgehen besprechen. Wie genau ist der Zustand der Nägel? Wird nur geknibbelt oder gebissen? Wie viel Nagel ist noch vorhanden? Mit welchem System arbeite ich bei diesem Kunden?

Vorbereitung

Im Anschluss an das Beratungsgespräch ist es oft schon möglich, eine Maniküre bei dem Kunden zu machen. Dies bereitet die Nägel auf die Modellage vor, die ein bis zwei Tage später erfolgen sollte. Warum so ein Zeitversatz? Es kommt oft vor, dass gerade Nagelbeißer sehr viel und sehr verhornte Nagelhaut auf ihrer Nagelplatte haben. Dabei bringt ein Nagelhautentferner guten Erfolg, da er die Nagelhaut aufweicht, sodass Sie sie danach leicht mit einem Propusher entfernen können. Nach einer großen Maniküre mit Nagelhautentferner und Wasser ist es grundsätzlich sinnvoll, ein bis zwei Tagen zu warten, bis Sie mit der eigentliche Modellage anfangen. Denn das erhöht die Haltbarkeit.

Nächster Schritt

Wie geht es dann weiter? Besprechen Sie anschließend mit dem Kunden die Vorgehensweise. Bei mir erhält jeder Kunde eine siebenwöchige Betreuung mit mindestens sieben Terminen. Es wird wöchentlich geschaut, repariert, erneuert und zwar immer dann, wenn es notwendig ist. Auch gewisse Knibbelecken oder Kanten werden sofort entfernt, wenn es den Kunden stört. Direktes und schnelles Reagieren auf ein Problem ist enorm wichtig.

Bewusstsein

Was sollten unsere Kunden noch wissen? Gerade bei extremen Nagelbeißern und sehr kurz gekauten Nägeln ist es unbedingt notwendig, die wöchentlichen Kontrolltermine genau einzuhalten. Klartext reden ist immer wichtig. Erklären Sie immer alles auf eine freundliche Art, aber bestehen Sie auf die Rahmenbedingungen.
Ich befrage meine Kunden auch immer bezüglich ihrer Gewohnheiten: Wie lange beißen Sie schon Ihre Nägel? In welchen Situationen am häufigsten? Was haben Sie schon versucht dagegen zu tun? Nur wenn sie sich bewusst sind, wann sie zum Beispiel am häufigsten kauen oder knibbeln, können sie bewusst ein anderes Verhalten einüben.

Liftings

Bei extremem Nagelbeißen kann es vorkommen, dass sich die Nägel die ersten Male direkt wieder lösen. Das liegt daran, dass durch das Kauen auch das Nagelbett in Mitleidenschaft gezogen wird und der Nagel im Allgemeinen weicher und auch flacher ist. Auch dann sollte der Kunde Sie direkt kontaktieren. Ich erkläre meinen Kunden sehr viel und gebe auch immer ein Merkblatt mit. Je besser Sie Ihre Kunden vorher aufklären, umso eher werden sie sich auch an Ihre Empfehlungen und Anweisungen halten.

Das Material

Mein persönlicher Favorit ist hier ganz klar das Polygel beziehungsweise Acrylgel. Es besticht durch eine hervorragende Anhaftung und es lässt sich selbst bei einem Mini-Nagelbett ein schöner Nagel modellieren. Im Gegensatz zu Gel hält das auch bei sehr dünn gekauten Nägeln mindestens eine Woche ohne Lifting. Achtung: Haben Sie hier bitte keinen falschen Ehrgeiz! Denn von der Länge her sollten Sie höchstens bis zur Kuppe modellieren, und zwar ohne Ecken. Am geeignetsten sind bei den ersten 
Modellagen runde oder leicht ovale Formen, keinesfalls Squares oder ähnliche gerade Formen. Auch wenn der Kunde enttäuscht sein sollte, dass die Nägel immer noch kurz sind, gilt hier: Weniger ist hier erstmal mehr.

Weiteres Vorgehen

Wöchentliche Kontrolltermine sind gerade am Anfang für den Erfolg der Behandlung sehr wichtig. Und sei es nur, um den Kunden zu motivieren. Ja, Nagelbeißer-Kunden kosten uns mehr Zeit. Aber die ist gut investiert. Ich handhabe es so: Bei den Kontrollterminen schaue ich, ob alles noch dran ist. Ob es irgendwo Luft gezogen hat und wie weit die Modellage herausgewachsen ist. Dann arbeite ich mit Belohnungen. Hat der Kunde nach eine Woche lang nicht geknabbert, dann darf er sich einen Stein für seine Nägel aussuchen. Beim nächsten Kontrolltermin, also nach 14 Tagen, sollten Sie dann ein Refill machen, da das Nagelbett noch so kurz ist, dass es sich meist herunterhebelt. Nach drei Wochen sollte der nächste Termin sein. Oft besprechen wir dann auch schon den nächsten großen Schritt, den meine Kundin in Woche vier erwartet: das erste Mal French.

Nagelbeisser Typ

Bei Nagelbeißern gibt es zwei Sorten von Kunden:
  1. Da ist der eine, der sofort und schnell tolle Erfolge erwartet. Diesem Kunden müssen wir erklären, dass es einen Weg gibt, der zwar innerhalb weniger Wochen zu vorzeigbaren Nägeln führt, aber diesen Kunden sollten wir gleich klarmachen, dass sie nach dem ersten Termin keine Nägel wie ein Nagelmodell haben werden und auch nicht so schöne Nägel wie die nicht beißende Freundin. Gute Dinge brauchen ein wenig Zeit und Geduld, und die Nagelplatte muss sich erst einmal richtig entwickeln.
  2. Die zweite Art von Kunden ist der, der alle Kraft und allen Mut aufbringen musste, um überhaupt einen Termin mit Ihnen zu vereinbaren. Dieser Kunde schämt sich fürchterlich für seine nicht vorzeigbaren Finger und fürchtet, wir würden uns vor seinen Nägeln ekeln. Dieser Kunde hat vielleicht schon oft negative Kommentare für seine Finger einstecken müssen und hat bereits schlechte Erfahrungen in einem anderen Nagelstudio gemacht. Solche Kunden sollten wir aufbauen, sie für ihren Mut loben und sie darin bestärken, etwas für sich zu tun. Sie müssen wissen, dass sie bei uns in guten Händen sind und wir ihnen wirklich helfen möchten.

Gabriele Warluks
Die Autorin betreibt seit 2009 ihr eigenes Homestudio in Greven. Sie besucht leidenschaftlich gern Perfektionstrainings und bildet sich stetig weiter. Seit mehreren Jahren bietet sie speziell für Nagelbeißer ein Programm an.

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