Interview: Faltenbehandlung bei sensibler Haut

15.04.2021
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Immer mehr Frauen haben mit einer empfindlichen Haut zu kämpfen. Leider neigt gerade dieser Hauttyp zu einer verfrühten Hautalterung. Was lässt sich dagegen tun? Ein Interview mit der Dermatologin Dr. Anna Brandenburg aus Hamburg.
Foto: Dr. med. Anna Brandenburg

Zur Person

DR. MED. ANNA BRANDENBURGist seit 2009 Fachärztin für Dermatologie, Allergologie und Venerologie in Hamburg. Ihre dermatologische Privatpraxis hat sie 2019 in einem Harvestehuder Gründerzeitbau eröffnet.

1. BEAUTY FORUM: Viele Frauen würden ihre Haut als empfindlich oder trocken bezeichnen. Tatsächlich leiden aber nur 30 Prozent darunter. Wie zeichnet sich dieser Hauttyp aus?


Dr. med. Anna Brandenburg: Stellen Sie Ihrer Kundin diese Fragen: Neigt Ihre Haut auch zu trockenen Stellen, Rötungen und Entzündungen? Außerdem spannt, juckt und schuppt sie manchmal, zum Beispiel, wenn Sie im Stress sind, eine neue Creme benutzt oder scharf gegessen haben? Und zu allem Überfluss leiden Sie auch noch unter Allergien? Wenn sie alle Fragen mit „Ja“ beantwortet hat, gehört sie mit allergrößter Wahrscheinlichkeit zu den Frauen, deren Hauttyp als „sensibel“ oder „empfindlich“ bezeichnet wird. Das ist zwar nicht dramatisch, aber belastend und langwierig. Häufig ist dieser Hauttyp nämlich angeboren. Die Grenzen zum trockenen Hauttyp sind dabei oftmals fließend. Während empfindliche Haut eher eine Veranlagung ist und mit Unverträglichkeiten reagiert, ist die trockene Haut eher eine Folge des Älterwerdens. Der transdermale Wasserverlust ist erhöht. Vor allem Frauen nach der Menopause sind häufig davon betroffen. Aber egal, ob trocken oder sensibel: Beiden Hauttypen fehlen oft Feuchtigkeit und natürliche, schützende Fettsäuren. Sensible Haut reagiert jedoch noch schneller auf äußere Faktoren mit entzündlichen oder allergischen Reaktionen als trockene Haut.

2. Gerade diese beiden Hauttypen leiden besonders früh unter Fältchen. Warum?

Durch die gestörte Hautbarriere und den damit verbundenen erhöhten transepidermalen Wasserverlust entstehen Trockenheitsfältchen. Äußere Einflüsse wie Stress, Alkohol, Nikotin und vor allem Sonne führen zur Bildung freier Radikale, die zusätzlich die Hautalterung vorantreiben.

3. Gibt es spezielle Anti-Aging-Behandlungen, die die Haut gleichzeitig beruhigen und glätten? Wenn ja, welche?

Ich empfehle ein Treatment, das mit einer großen Zahl unterschiedlicher Seren Behandlungen ermöglicht, die sich sehr gut dem Hautzustand anpassen lassen. Bei dieser Technik sorgt eine mit Aktivstoffen angereicherte Trägersubstanz für die Hautdurchdringung. Aktiviert durch reinen Sauerstoff, öffnet die Substanz die Epidermis, damit die ausgewählten Wirkstoffe bis in tiefere Hautschichten gelangen. Als Effekt erhält die Haut körpereigene Nährstoffe und Feuchtigkeit zurück, Zellen können sich optimal erneuern. Der Radikalenhaushalt wird reguliert und die Sauerstoffversorgung verbessert. Als kontinuierliche Kur werden die Wirkstoffe wie Depots in die Haut „gelegt“, wo sie die Zellversorgung optimieren und für ein nachhaltig verbessertes Hautbild sorgen. Ich würde zu Seren raten, die regenerativ wirken, intensiv Feuchtigkeit spenden und antioxidative Effekte haben. Bei sensibler Haut würde ich auf Treatments wie Microneedling, Microdermabrasion oder auch aggressive Säurebehandlungen eher verzichten und stattdessen eher auf klassische Salontreatments wie hautberuhigende Masken setzen, die zugleich versorgend und verschließend wirken.

4. Welche Wirkstoffe sind besonders verträglich und effektiv bei der sensiblen Haut?

Definitiv Niacinamid, weil es ebenso Anti-Aging-potent wie Retinol ist, aber hautverträglicher. Der Wirkstoff ist ein absoluter Allrounder. Vitamin B3 unterstützt die Zellregeneration, glättet feine Fältchen und stärkt die Hautschutzbarriere. Je nach Hautzustand gibt es vielerlei wirkpositive Inhaltsstoffe, die sensible Haut gut verträgt. Dazu zählen unter anderem Nachtkerzenöl, Aloe vera, Zink, Kamille, Heilerde, Jojobaöl oder Salz aus dem Toten Meer. Allgemein sollte man eher zu medizinischen Hautpflege-Serien greifen, da fließen in der Regel nur solche Inhalte ein, die die Haut wirklich braucht.

5. Können auch Naturkosmetikprodukte Fältchen bekämpfen?

Grundsätzlich sollten Naturkosmetika nicht weniger effektiv wirken als konventionelle Kosmetik. Allerdings halte ich Naturkosmetik nicht automatisch für besser oder gar das Nonplusultra in der Hautpflege. Viele Menschen denken, Naturkosmetik sei gleichzusetzen mit natürlich. Dabei beinhalten viele Produkte ebenfalls Duft- und Konservierungsstoffe, und manche Linien sind nicht gerade besonders mild. Auch ist Naturkosmetik immer chemisch aufgearbeitet – gewisse chemische Umwandlungsprozesse und die Aufspaltung natürlicher Stoffe sind unvermeidbar, wenn man die gewünschten Eigenschaften von Pflanzen für die Naturkosmetik nutzbar machen will. Zertifizierte Naturkosmetik lehnt nur Umwandlungsprozesse ab, die Stoffe mit erheblichem Schaden für Mensch und Natur hervorbringen und auf Erdöl basieren. Der Unterschied liegt also eher im grundsätzlichen Ansatz – nicht in der Wirksamkeit.

6. Wann sollte die Kosmetikerin lieber auf eine Behandlung verzichten?

Bei allen Verletzungen der Haut oder wenn die Kundin nässende Ekzeme hat. Bei lediglich geröteter oder irritierter Haut spricht nichts gegen eine pflegende, in erster Linie feuchtigkeitsspendende Behandlung.

7. Sind Behandlungen mit Botox und Hyaluronsäure bei sensiblen Hauttypen sinnvoll?

Diese Injektionen sind völlig hautzustandsunabhängig, es spricht also nichts dagegen. Botulinumtoxin glättet die Haut, indem sie die mimische Muskulatur gezielt und temporär ausbremst. Das hat keinerlei Auswirkung auf den Hautzustand. Und Hyaluronsäure füllt die Volumendefizite auf, wo es im Gewebe zu Abbauprozessen gekommen ist oder wo man individuell mehr Volumen wünscht. Für trockene und/oder sensible Haut, die unter transdermalem Wasserverlust leidet, hat das also sogar Vorteile, weil sich diese Art Behandlung durchfeuchtend auf das Hautgewebe und Hautbild auswirkt: Hyaluronsäure kann ein Vielfaches ihres Eigengewichts an Wasser speichern.

8. Gilt das auch für Frauen, die an Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Schuppenflechte oder Couperose leiden?

Definitiv. Auch in diesen Fällen haben epidermale Probleme keinen direkten Bezug zu den in die Hauttiefe eingebrachten Filler-Wirkstoffen oder zum Botulinumtoxin, das in den Muskel injiziert wird.9. Ab wann darf die Kosmetikerin eine Haut behandeln, die mit Botox oder Hyaluronsäure unterspritzt ist? Was muss sie beachten? Man sollte schon zwei Wochen nach einer Unterspritzung warten, damit die eingebrachten Substanzen ihre optimale Wirkung entfalten können, ohne dass äußere Manipulation sich eventuell ungünstig auswirkt. An Einstichstellen sollen außerdem durch manuelle Einwirkung keine Entzündungen entstehen. Das Interview führte Kirsten Hoffmeister.
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