Herstellungsprozess Lippenstift

15.01.2021
Fotos: Weckerle cosmetics

Der Lippenstift ist das Accessoire Nummer eins für viele Frauen. In seinen Nuancen, Texturen und Designs ist er vielfältig wie kein anderes Beautytool. Dieser Beitrag gibt einen exklusiven Einblick, wie das meistverkaufte Schönheitsprodukt der Welt hergestellt wird.

Ob matt oder glitzernd, hell- oder dunkelrot, kunstvoll verziert oder schlicht: Kaum ein anderes Kosmetikprodukt gibt es in derart vielen Variationen und Ausprägungen.

Dabei ist der Lippenstift kein modernes Phänomen. Schon vor Jahrtausenden schminkten sich Menschen ihre Lippen. Der Status des Lippenstifts änderte sich allerdings immer wieder. Lange Zeit galt er als teures und luxuriöses Gut, mit dem sich beispielsweise Königinnen vor öffentlichen Auftritten die Lippen verschönerten. In manchen Perioden des 19. Jahrhunderts hatte er einen verruchteren Ruf, als ihn vor allem Tänzerinnen und Diven auf ihren Lippen nutzten. Sarah Bernhardt, eine berühmte französische Diva, gab ihm damals sogar den Beinmanen „Stylo d'Amour“: Der Stift der Liebe. 1883 wurde der erste Lippenstift in der uns heute bekannten Form bei der Weltausstellung in Amsterdam präsentiert. Seither schreibt er eine beispiellose Erfolgsgeschichte, und gilt als Symbol der Emanzipation.

Die Herstellung eines Lippenstifts hat sich über die Jahre deutlich mehr verändert als das Produkt selbst. Früher wurden sie manuell in einem zeit- und aufwandsintensiven Prozess hergestellt. Heute geschieht das meiste davon vollautomatisch mit Abfüllmaschinen.

Der Herstellungsprozess

Die Basis des Produkts

  • Im ersten Schritt geht es um die Zusammensetzung der Lippenstiftmasse, des Herzstücks des Lippenstifts. Am Anfang steht immer die Basistextur, auch Bulk genannt. Die Textur besteht aus verschiedenen Ölen und Wachsen (zum Beispiel Bienenwachs), die in einem bestimmten Verhältnis zueinander zusammengemischt werden. Damit der Bulk weiterverarbeitet werden kann, muss man ihn zunächst verflüssigen. Dafür erhitzt man ihn in einem Kessel. Das Ergebnis ist eine flüssige Masse, die dem fertigen Bulk schon sehr ähnlich ist.
  • Ein elementares Element fehlt dem Bulk allerdings noch: die Farbe. Lippenstifte werden üblicherweise in von Rot bis Pink in zahlreichen Farben hergestellt. Somit findet jeder Lippentyp die individuell passende Farbe für die Lippen. Die Farbgebung stellt daher einen der wichtigsten Teile bei der Herstellung dar. Um Lippenstiften Farbe zu geben, mischt man dem Bulk deshalb bestimmte Farbpigmente bei. Für den angenehmen Geruch des Lippenstifts sorgen unterschiedliche Parfüms.
  • Der Bulk ist damit im Grunde fertig für die Produktion. Allerdings ist ein Bulk nie identisch mit einem anderen. Mischverhältnisse, Inhaltsstoffe, Farbgebungen, Geruch und so weiter ändern sich von Produkt zu Produkt. Sollen die Lippen zusätzlich gepflegt werden, muss ein pflegender Lippenstift hergestellt werden. Dann wird dem dekorativen Kosmetikprodukt beispielsweise Oliven-Öl, Sheabutter oder Avocado-Öl hinzugefügt. Soll er besonders matt oder besonders glimmernd sein, ändert sich das Mischverhältnis dementsprechend.
    Genauso verhält es sich bei der Wahl, ob der Stift eher dezent Farbe abgibt oder eine kräftige, lang anhaltende Textur hat. Die Inhaltsstoffe und die Zusammensetzungen richten sich aber auch häufig nach aktuellen Trends.
  • Der allgemeine Trend hin zu einem natürlichen oder auch veganen Lebensstil ist längst in der dekorativen Kosmetik angekommen. Seit Jahren erfreut sich Naturkosmetik wachsender Beliebtheit. Im Gegensatz zu herkömmlicher Kosmetik enthalten Naturkosmetika beispielsweise ausschließlich pflanzliche Farbstoffe und somit natürliche Farbpigmente oder man verwendet vorwiegend nachhaltige und natürliche Rohstoffe. So stehen die Nutzung von Kosmetik und der gleichzeitig schonende Umgang mit Ressourcen im Einklang.

Vollautomatische Abfüllung

  • In der Produktion entsteht dann letztendlich der Lippenstift in der Form, wie wir ihn kennen. Die Stifte müssen dabei aber nicht von Hand gefüllt werden. Die Abfüllung der Stifte funktioniert vollautomatisch. Schon in den Siebzigerjahren entstanden die ersten vollautomatischen Abfüllmaschinen. Das Grundprinzip von damals verwendet man auch heute noch, wenn auch in deutlich modernisierter Form. Auf den Abfüllmaschinen befindet sich ein Kessel, in dem sich der erhitzte und flüssige Bulk befindet. Mittels Dosiernadeln wird der Bulk in Metall- oder Sili­konformen (Molds) gegossen, in welchen die Textur ihre finale Bulletform erhält.
  • Die Molds und die darin enthaltene Textur werden danach gekühlt. Dies führt zum einen dazu, dass die Textur fest wird, zum anderen aber auch dazu, dass sie sich in der Mold zusammenzieht. In der Silikonform wird zusätzlich ein Vakuum erzeugt. Dadurch kann die Verpackung des Lippenstifts leichter auf die Bullet gesetzt, und somit entformt werden. Das Produkt ist damit schon fast fertig.
  • Im vorletzten Schritt wird der Stift zurück in die Verpackung gedreht und eine Kappe aufgesetzt.
  • Abschließend erhält der Boden des Stiftes ein Etikett zur Kennzeichnung. Am Ende des Prozesses steht ein vollständig produzierter und verkaufsbereiter Lippenstift.

Bestanden: Die Testphase

Bevor der Stift aber wirklich in den Verkaufsregalen landet, muss er sich noch einigen Tests unterziehen. Im Stabilitätstest wird die Mindesthaltbarkeitsdauer des Stifts überprüft. Man unterzieht ihn dabei einer beschleunigten Alterung („accelerate aging“). Dafür lagert man ihn über einen längeren Zeitraum bei unterschiedlichen, teils extremen Temperaturen. So muss der Lippenstift Temperaturen von 40 Grad Celsius, sowie den Temperaturen in einem Kühlschrank standhalten. Der Vorgang stellt den Alterungsprozess des Lippenstifts unter unterschiedlichen Bedingungen nach, wodurch das Einhalten der Mindesthaltbarkeit gewährleistet werden kann.

Auch die Kompatibilität des Stiftes mit der Verpackung wird überprüft. Denn nicht alle Texturen harmonieren automatisch mit der Zusammensetzung der Lippenstiftverpackung. So kann die Textur nach einiger Zeit austrocknen, oder bestimmte Eigenheiten, wie eine lang anhaltende Wirkung, gehen verloren. Besteht ein Stift sämtliche Tests, ist die Herstellung abgeschlossen, und das Produkt kann verkauft werden.

Was ist was?

Bulk: Der Bulk ist die Basistextur des Lippenstifts. Sie besteht aus verschiedenen Ölen und Wachsen, die man in unterschiedlichem Verhältnis zueinander mischt.

Mold: Mold ist die Form, in die die flüssige Textur gegossen wird. Die Formen sind in der Regel aus Silikon oder Metall.

Accelerate Aging: Der Begriff bezeichnet eine gängige Testpraktik. Hier unterzieht man den Lippenstift künstlich einer beschleunigten Alterung.

Martin Flöß
Der Autor begann 2011 seine Ausbildung zum Industriekaufmann bei Weckerle Cosmetics und ist nun nach Bachelorstudium und Masterstudium weiterhin als Werkstudent im Bereich Sales/Marketing für Weckerle Cosmetics tätig. www.weckerle.com
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