Das Mikrobiom: Klein, aber oho!

17.02.2020
Foto: vrx/Shutterstock

Die Welt des Mikrobioms besteht aus winzigen Kleinstlebewesen, die für das bloße Auge nicht sichtbar sind. Aber es ist in und auf unserem Körper sehr aktiv und beeinflusst den Organismus mehr, als wir denken. Naturkosmetik-Expertin Martina Gebhardt erklärt, wie das Mikrobiom auf uns einwirkt.

Mikroorganismen besiedeln den menschlichen Körper. Wie genau und welche Funktion sie in und auf unserem Körper haben, wurde in den USA durch das wissenschaftliche „Human Microbiome Project“ erforscht, das 2008 ins Leben gerufen wurde. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf den Schleimhäuten (Mundhöhle, Hals und Nase, Urogenitaltrakt, Verdauungstrakt) und der Oberfläche unserer Haut.

Also auf Bereichen des Körpers, die als durchlässige Schleusen fungieren, indem sie Einflüssen von außen, also dem Kontakt mit unserer Umwelt oder dem, was wir zu uns nehmen, ausgesetzt sind. Der Fokus der Untersuchungen lag dabei im Wesentlichenauf der Darmflora.

Es wurde die Erkenntnis gewonnen, dass das Mikrobiom des Darms einen wesentlichen Einfluss auf unsere Gesundheit hat und zwar nicht nur auf die Verdauung, sondern auch auf die Gesamtkonstitution des Körpers. Mikroorganismen und ihre Enzyme unterstützen den Körper beim Zersetzen der Nahrung und beim Stoffwechsel und sind somit ein wesentlicher Faktor unseres Immunsystems. Ist das Mikrobiom erst mal geschädigt, kann es viele Monate dauern, bis es sich regeneriert hat.

Milieu und Kultivierung

Bakterien spezialisieren sich auf bestimmte Einflüsse der Umgebung wie zum Beispiel die Temperatur, den Sauerstoffanteil und den pH-Wert sowie den Feuchtigkeitsanteil und bilden dadurch ein Milieu mit einer ureigenen Bakterienkultur. Dadurch ermöglichen sie auch die Kultivierung des sich ständig anpassenden Mikrobioms, denn es ist durch seine einfache Zusammensetzung aus Ein- oder Wenig-Zellern besonders anpassungsfähig.

Durch die Aktivitäten der Bakterien beeinflusst das Mikrobiom wiederum das Milieu seines Wirtes, wie es zum Beispiel bei der Schleimhaut in der Mundhöhle der Fall ist. In einem gesunden Milieu leben im Durchschnitt ungefähr zehn Milliarden Bakterien. Zum Vergleich besteht die Standflora der gesamten Hautoberfläche aus ungefähr zehn Billionen Bakterien. Diese sind jedoch recht unterschiedlich verteilt: An Armen und Beinen sind es bei durchschnittlicher Körperpflege nur zehn Prozent, während die Anzahl der Bakterien, die in der Achselhöhle leben oder in den Zwischenräumen der Zehen und Finger, um einiges größer ist – denn hier besteht ein erhöhter Feuchtigkeitsgehalt, den Bakterien lieben.

Sie ernähren sich nicht nur von Wasser, sondern auch von den Hautschüppchen, die die Epidermis abstößt, sowie vom Schweiß und den Lipiden, die nach außen durch die Haut wandern und Teil des Hydrolipidmantels sind, der unseren Hautschutz aufrechterhält.

Hauteigene Enzyme wirken als Katalysator dieser biochemischen Vorgänge im Hydrolipidmantel und sind maßgeblich an der Wiederherstellung einer gesunden Standflora unserer Haut beteiligt, indem sie das Milieu vor allem durch den pH-Wert beeinflussen. Durchschnittlich liegt dieser bei einem Wert von 5,5, also im sauren Bereich, deshalb spricht man auch vom Hautsäureschutzmantel. Doch dieser unterliegt Schwankungen und kann je nach Hautareal, Geschlecht, Alter sowie der Art und Häufigkeit der Körperpflege beziehungsweise der Kosmetikanwendungen variieren.

Ändert sich das Milieu für das Mikrobiom, wird dieses gestresst, da es sich anpassen muss und in dieser Phase seine eigentlichen Aufgaben nicht voll erfüllen kann. Normalerweise kümmert sich das Mikrobiom beispielsweise um die Wundheilung unseres Körpers oder es tötet als Teil unseres Immunsystems pathogene Bakterien ab, die sich sonst vermehren. Mögliche Folgen kann entweder ein Nachlassen in der Abwehr oder im Gegenteil eine Überreaktion sein, also eine Allergie. Aber das Mikrobiom ist ein wahres Multitalent und kann sich wieder regenerieren.

Hautschutz und Nahrung

Das Mikrobiom auf unserer Haut und im Körper ist so einzigartig wie unser Fingerabdruck. Daher ist es wichtig, seine Gesundheit zu erhalten. Die Bakterien, Viren und Pilze unseres Mikrobioms der Haut sind sehr diversifiziert und fein aufeinander abgestimmt, um ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können. Darum gilt es, dieses delikate und zerbrechliche Gleichgewicht unseres Mikrobioms zu schützen. Eigentlich ist die Haut perfekt dafür geschaffen, sich selbst zu helfen. Oft können Kosmetika mit ihren reizenden Inhaltsstoffen oder eine Überpflegung das Gleichgewicht unseres Hautschutzes nachhaltig stören. Auch wirken Konservierungsmittel, ganz ähnlich wie Antibiotika, die die Darmflora zerstören können, auf die Standflora der Haut.

Im Bereich Pflege: Um dem Mikrobiom wieder auf die Sprünge zu helfen, ist eine fetthaltigere Creme als Tagespflege in der Regel geeignet, solange sie nur sparsam aufgetragen wird und es sich bei den öligen Bestandteilen der Creme um nicht-mineralische Lipide handelt. Nachts kann mit einer leichten Lotion einem eventuellen Spannungsgefühl nach dem Abreinigen abgeholfen werden. Gesichtswässer mit einem pH-Wert zwischen 4,6 und 6,0 helfen dabei, den Hautsäureschutz zu verbessern.

Im Bereich Ernährung: Unsere Lebensmittel sind in den letzten Jahren sehr komplex geworden. Je komplexer der Verarbeitungsprozess eines Rohstoffes ist, desto härter muss das Mikrobiom arbeiten, um sie zu verstoffwechseln. Gesunde Ernährung verzichtet so weit wie möglich auf stark verarbeitete Inhaltsstoffe. Das gilt auch für die Hautpflege.

Algen, Vitalpilze, Ginkgo-Tee und Aloe vera sind Beispiele für Superfood in der Ernährung und der Hautpflege geworden. Sie sind wertvolle Impulsgeber, um die Urkräfte des Lebens in uns wieder wachzurufen. Denn so wie wir es im Urlaub vorziehen, Zeit in der Natur zu verbringen oder uns eine Auszeit zu nehmen und dem Sehnen nach einem einfacheren Leben nachzugehen, so geht es auch dem Körper, wenn er regenerationsbedürftig ist. Hier gilt wie bei allem, das der Heilung bedarf: Weniger ist mehr!

Die Wortbestandteile „Mikro“ und „Biom“ stammen aus dem Griechischen und bedeuten „klein“ und „Leben“. Mit dem Begriff „Mikrobiom“ sind also Kleinstlebewesen gemeint, die im Verbund mit anderen ein eigenes Ökosystem bilden. Das gilt für große Lebensräume wie die Erdoberfläche und auch für kleine begrenzte Flächen, wie beispielsweise die Oberfläche unserer Haut.

Martina Gebhardt - gründete 1986 das gleichnamige Unternehmen. Die Biopionierin produziert seither Naturkosmetik. Ihr gesamtes Sortiment ist Demeter-zertifiziert. 2014 erwarb die ausgebildete Architektin das Kloster Wessobrunn in Oberbayern als Firmensitz.

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