Body Positivity und Selfcare

08.02.2022
Foto: LightField Studios/Shutterstock.com

Die Bewegung „Body Positivity“ steht für die Abschaffung unrealistischer und diskriminierender Schönheitsideale. Viele meinen, ihr Ursprung liegt in unserem Zeitalter, jedoch gab es die erste Bewegung bereits im 19. Jahrhundert, zu einer Zeit, als der Feminismus gerade erwachte.

Frauen demonstrierten beispielsweise in den 1870er-Jahren für die Abschaffung des Korsetts und der sogenannten Wespentaille, eines bis dahin vorherrschenden Schönheitsideals.

In unserem Zeitalter erwachte die Bewegung erneut und durch die sozialen Medien in den letzten Jahren deutlich stärker. Bei Instagram gibt es unter dem Hashtag „bodypositivity“ allein 9,3 Millionen Beiträge. Frauen aus aller Welt stehen öffentlich zu ihren Körpern, zeigen uns ihre Körper genauso, wie sie sind. Sie stehen zu ihren Pfunden, sie zeigen uns ihre Dehnungsstreifen und ihre Cellulite.

Diese Frauen möchten darauf aufmerksam machen, dass die bestehenden Schönheitsideale unrealistisch und schwer erreichbar sind. Außerdem wollen sie aufzeigen, dass sie im Alltag diskriminiert werden. Das spiegelt sich im Alltag zum Beispiel durch böse Blicke ihrer Mitmenschen wider. Ab bestimmten Kleidergrößen kann man nicht mehr in jedem Geschäft einkaufen, und es gibt eine geringere Auswahl an Möglichkeiten. Es gibt sogar bereits Studien, die belegen, dass Menschen, die dem vorherrschenden Schönheitsideal entsprechen, nicht nur schneller befördert werden und erfolgreicher im Job sind, sondern generell besser bezahlt werden. Die Bewegung „Body Positivity“ kämpft genau gegen diese Ungerechtigkeiten an.

Die Werbung reagiert

Mittlerweile reagiert auch die Industrie immer mehr auf diese Bewegung. Bei Werbungen werden heute häufiger Plus-Size-Models eingesetzt, die Models dürfen Dehnungsstreifen haben und sollen möglichst keinen perfekten Körper haben. Bestes Beispiel ist sicherlich Ashley Graham, die als das bestbezahlte Plus-Size-Model mit ihrer sehr schlanken Taille und ihrem schlanken Gesicht nicht ganz dem Schönheitsideal entrückt.

Es geht nicht nur darum, dem Schönheitsideal zu trotzen, sondern vielmehr darum, sich in seinem eigenen Körper wohlzufühlen. Viele Aktivistinnen setzen heute auf den Hashtag „selflove“ oder „selfcare“. Doch was genau ist die Selbstliebe oder Selbstachtsamkeit? Wie kann ich mich selbst lieben und mir selbst Achtsamkeit schenken?

Was ist Selfcare?

Bei Selfcare denken wir erst einmal daran, uns für einen Moment etwas Gutes zu tun: ein entspanntes Bad, eine Gesichtsmaske, eine kleine Wellnessauszeit. Unsere Kunden betrachten den Besuch in unserem Institut als Selbstliebe, also sich selbst etwas Gutes zu tun und sich und ihrem Körper dadurch Achtsamkeit zu schenken. Aber ist das wirklich alles? Wäre es nicht fantastisch, wenn wir unseren Kunden mehr bieten könnten als diese kleine Auszeit der Achtsamkeit und Selbstliebe? Warum nur eine Stunde Selbstliebe?

Für mich bedeutet es, bei mir selbst anzusetzen! Denn nur, wenn es mir gut geht, kann ich anderen etwas Gutes tun. Ich plädiere für mehr Achtsamkeit und Selbstfürsorge in unserem eigenen Leben. Ich habe mich über einige Jahre hinweg mit der Fürsorge und Selbstliebe auseinandergesetzt, viele Bücher gelesen und versucht herauszufinden, was mir selbst guttut. Herauszufinden, was ich brauche, um glücklich und zufrieden zu sein. Ich definiere meine eigene Body Positivity und meine eigene Selfcare, unabhängig von irgendwelchen Bewegungen und Hashtags im Internet.

Selfcare im Institut

Die Auszeiten meiner Kunden und ihre Bedürfnisse versuche ich, stets individuell zu gestalten und die gewünschten Bedürfnisse zu erfüllen. Dies bedeutet ein Plus an Mehrzeit in einer Behandlung, denn ich muss genau hinhören und mich bemühen, die Wünsche jeder einzelnen Person zu erfassen. Ich muss meine Achtsamkeit nicht hintenanstellen oder mich von meinem Kunden „abgrenzen“, denn ich sehe es als Lernprozess und Weiterentwicklung meiner eigenen Achtsamkeit.

Wir sind heute nicht mehr nur Hautpflegeexperten und Kosmetikerinnen, wir sind die Menschen, denen unsere Kunden vertrauen, und ein Ort, an dem sich unseren Kunden fallen lassen wollen. Wir sind beste Freundin, Therapeut und Influencer in einer Person. Wir können unseren Kunden zu mehr Selbstliebe und einem positiven Körpergefühl verhelfen. Denn wir kümmern uns um die äußere Hülle, um die Schönheit dieses Menschen.

Die Haut ist das Spiegelbild unserer Seele, wie oft haben wir das schon gehört und sicherlich auch zu unseren Kunden gesagt. Was, wenn wir unseren Kunden zu einer positiven Seele verhelfen können? Für einen Moment und vielleicht sogar den Anreiz setzen, dass unser Kunde seine Seele selbst mehr pflegt.

Wenn wir uns nicht nur in den sozialen Medien als positiv denkende Menschen darstellen, sondern dies genau so leben, weil wir unser geistiges Spektrum erweitert haben, können wir unsere Kunden stärker an uns binden, ihr Vertrauen in uns erhöhen, ihnen einen Raum der Achtsamkeit und Fürsorge schenken. Abgesehen davon, dass es uns selbst glücklicher macht, bringt es uns mehr Zufriedenheit und Spaß bei der Arbeit, und unsere Kunden spüren es in ihrem Innersten.

Fazit

Verzichten wir doch einfach mal auf die schön klingenden Hashtags wie „bodypositivity“, „selflove“ und „selfcare“ und definieren den Wert der Schönheit neu.

Schönheit bedeutet für mich heute eine eigene individuelle innere Zufriedenheit. Ich möchte mich in meinem eigenen Körper wohlfühlen, losgelöst von irgendwelchen Bewegungen in den sozialen Medien. Begeisterung für mein eigenes Leben, so wie ich es leben möchte: Mit Sport und gesunder Ernährung oder mit einer Tüte Chips im Bett und Netflix. Mit Spaß bei der Arbeit und nicht mit Stress und Hetze.

Wenn man das schafft, und das funktioniert nicht an jedem Tag, strahlt die innere Schönheit, und das ist bedeutender als alles andere, und unsere Kunden erstrahlen mit einem gesunden ruhigen Hautbild.
Umsetzungtipps bei der Behandlung:

Während der Behandlung erzählen uns sie uns von ihren Problemen und Sorgen. Bevor man hier gleich persönliche Tipps bietet, kann man versuchen, den Blickwinkel des Kunden auf ihr eigenes Inneres zu lenken. Viele Kunden werden jetzt erst recht hellhörig.

Ich motiviere die Kunden, genau hinzuschauen, warum sie etwas ärgert oder wütend macht. So entsteht häufig ein Austausch über frühere Situationen oder Ausgangspunkte. Natürlich muss man hier sehr sensibel vorgehen.

Es ist sehr hilfreich, wenn man bezüglich der eigenen Fürsorge und Achtsamkeit erzählt, wie der eigene Weg war und wie man zum Ziel gelangt ist. Wie man es selbst im Alltag umsetzt und wie man es schafft, dabeizubleiben.

Foto: Autorin
Stephanie Seng

Die Kosmetikerin und Hautpflegeexpertin betreibt ihr eigenes Institut Schoonheid Cosmetics in der Nähe von Freiburg. Sie hat sich auf die Gesundheit der Haut und das individuelle Hautpflege- und Skincoaching spezialisiert.

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